Zur bewussten Lebensweise gehört neben gesunder Nahrung, guter Luft und sauberem Wasser als allernächste Umgebung unsere Kleidung. Es lohnt sich tatsächlich darauf zu achten, was man tagein, tagaus auf der Haut trägt! Vor Kälte und Hitze, Nässe , Wind und zu starker Sonne sollen uns die Sachen schützen, unser Wohlbefinden erhalten, ja möglichst steigern und, nicht zu vergessen, den Mitmenschen soziale und kulturelle Signale geben. (Letzteres als vorsichtige Umschreibung dessen, was Modeschöpfer und Bekleidungsindustrie oft zur Hervorbringung von übersteigertem „Textil-Müll“ veranlasst …Dies sei jetzt aber nicht unser Thema.)
Schauen wir uns die Grundstoffe der meisten Textilien an, ist festzustellen, dass nur wenige Fasern geeignet sind, die genannten Bedingungen zu erfüllen. Auf die Probleme mit den Kunstfasern und den chemischen Färbungen und Ausrüstungen möchte ich hier gar nicht näher eingehen, dazu war an dieser Stelle schon zu lesen (Rabe Ralf, März 1994).
Die Naturfasern lassen sich grob in Tier- und Pflanzenfasern einteilen. Die Eiweißfaser Wolle, die dem Menschenhaar am ähnlichsten ist, weist dabei die geeignetsten Eigenschaften auf: Im Gegensatz zur Pflanzenfaser, die Schmutz und Schweiß aufnimmt und so mit der Zeit verpilzt und zu riechen beginnt, vermag die Wolle Staub und Schmutz festzuhalten und beim Lüften und Ausschütteln wieder loszulassen; sie transportiert sogar die Körperausdünstungen nach außen, sofern dies nicht durch darüberliegende Pflanzen- oder Kunstfaserkleidung verhindert wird. Sie besitzen außerdem antibakterielle Eigenschaften und fängt lange nicht so schnell an zu riechen. Wenn Wollsachen regelmäßig gelüftet werden, können sie lange Zeit getragen werden, ohne dass sie gewaschen werden müssten. Bei keiner Pflanzenfaser ist dies so möglich. Der Einspareffekt an Zeit, Geld, Wasser und Waschmittel ist nicht zu vernachlässigen, die Folgebelastungen daraus sind somit minimal. Wenn wirklich Waschen nötig wird, dann kalt oder handwarm, mit einem sanften Wollwaschmittel, möglichst per Hand und ohne starkes Wringen. Dabei würden sich die fein gekräuselten Wollfaserchen nämlich noch verhaken, was zum Einlaufen und Verfilzen führt.
Wolle vermag außerdem bis zu einem Drittel seines Eigengewichts an Feuchtigkeit aufzunehmen, ohne sich nass-kalt anzufühlen. Schon das macht sie für alltagstaugliche Unter- und Oberbekleidung nahezu unschlagbar; Bergsteiger und „Überlebenstrainierende“ wissen dies zu schätzen.
In mehreren Farben kann sie direkt vom lebendigen (und lebendig bleibenden!) Schaf geschoren werden, sie wird dann gewaschen, gekämmt, versponnen, verstrickt, verwebt, verfilzt usf. Wie kein anderer Rohstoff ist sie geeignet für eine naturverträgliche Kleidung, für eine dezentrale und nachhaltige Lebensweise. Über den Vorgang des Spinnens wusste nicht nur Mahatma Gandhi ein Loblied anzustimmen, er kommt gerade hierzulande wieder verstärkt zum Tragen, besonders in sozialtherapeutischen Einrichtungen wird das Spinnen wieder sehr hoch geschätzt.
Dass Wolle kratzt, mag für wenige Landschafrassen zutreffen, für die heute überwiegend eingesetzten Gewebe- und Trikotstoffe ist dieses Vorurteil schlichtweg falsch. Auch dass Wolle im Sommer viel zu warm sei, trifft nicht zu, vielmehr sorgt sie sommers wie winters für ein ausgeglichenes Mikroklima und fördert durch ihre Struktur die Durchblutung der oberen Hautschichten. Die Heilwirkung des natürlichen Wollfettes wissen inzwischen besonders bettlägerige Menschen zu schätzen, und die Wollwindelhöschen für die Kleinsten sind längst zur Legende geworden.
Gottfried Graupner